UTE REICHEL Künstlerin

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Ute Reichel wurde 1962 in Hamburg geboren. Sie studierte bei Harald Duwe (Hamburg), Hermann Markard (Wiesbaden) und im Studiengang Freie Kunst an der Kunsthochschule in Braunschweig (Diplom und Meisterschülerabschluss).
1986/87 für ein Jahr  an den Kunsthochschulen in Edinborough/Schottland  1990/91 für eineinhalb Jahre  am ITB  Bandung/Indonesien.
Schwerpunkte ihrer Arbeit sind Malerei und Skulptureneditionen. Daneben entstehen aber immer wieder Collagen, druckgraphische Arbeiten und Bücher. 1997 gab sie das Buch „Hamburgs Senatorinnen – Gespräche beim Zeichnen“ heraus.
Ihre Arbeiten wurden u.a. in den Goethe-Instituten Bandung  und Surabaya, im Kaiserdom Königslutter, auf der Kunsttreppe  in Hamburg, im Hamburger Rathaus, im Museum für Kunst und Gewerbe, im Erotic Art Museum, im Institut Francais/Hamburg, in Galerien und auf Kunstmessen, u.a. in Karlsruhe und Paris, gezeigt.
Arbeiten von ihr befinden sich in öffentlichen und privaten Sammlungen.

Mensch – Energie – Bewegung

Der Galerist Michael Ferwagner im Gespräch mit der Künstlerin

Ute Reichel, Sie kommen aus einer Hamburger Musikerfamilie und haben lange Zeit selbst ein Instrument gespielt, inwiefern hatte diese Prägung Einfluss auf Ihre künstlerische Arbeit?

Für mich war es durch das Erlernen von Instrumenten selbstverständlich, dass  Handwerk die Grundlage von künstlerischem Schaffen ist. So habe ich mir sehr früh auch für die Malerei einen entsprechenden Lehrer gesucht; das war in Hamburg, solange ich dort zur Schule ging, der bekannte realistische Maler Harald Duwe.

Welche Einflüsse haben Sie am stärksten geprägt?

Am prägendsten war für mich mein musisches Elternhaus. In meiner Familie gab es vor mir niemanden, der malte. Doch mein Vater kaufte mit großer Leidenschaft Gemälde, nicht als Sammler bekannter Namen, sondern einfach, was ihm gefiel. In meiner Familie galten nicht Reichtum, oder schöne Klamotten als wichtig, sondern die schöngeistigen Dinge wie Musik, Literatur, Bildende Kunst etc.

Was ist bei der künstlerischen Arbeit Ihre Triebfeder?

Als Kind und Jugendliche habe ich gemalt, wenn ich traurig war – als Problembewältigung. Das ist jetzt ganz anders. Mich begeistert die Welt und ständig sehe ich Bilder vor meinem inneren Auge. Erlebnisse und oft auch Musik werden für mich zu einem Tanz von Farben und Formen. Und dann hat künstlerisches Arbeiten für mich auch eine sehr stark erotische, sinnliche Komponente. Sinnlich der Umgang mit Farbe, erotisch das Zusammenspiel von Formen und Farben, oder die Eleganz einer Linie.

Wann haben Sie Ihr letztes schlechtes Bild gemalt?

Das ist schwer zu sagen. Für mich gibt es Bilder, bei denen ich einfach ab einem bestimmten Punkt nicht mehr weiter komme. Doch gebe ich diese Bilder dann nicht auf, sondern stelle sie weg und arbeite später daran weiter. Diese Bilder sind für mich aber nicht schlechte Bilder, sondern künstlerische Herausforderungen, die ich zu bewältigen versuche.

Ihre Arbeiten sind ja verglichen mit Ihren früheren Arbeiten, sehr reduziert geworden, sie beschränken sich auch bei Ihren Plastiken ausschließlich auf die Schattenflächen und die Umrisslinie ...

Beeinflusst haben mich bestimmt meine Holzschnitteditionen aus denen Papiercollagen entstanden sind, und mein zweijähriger Studienaufenthalt in Indonesien. Dort habe ich mich intensiv mit der Tanzkunst und dem indonesischem Schattenspiel beschäftigt. Beim indonesischen Schattenspiel haben die Figuren zwei Realitätsebenen. Zum einen die farbig bemalte Holzfigur und dann ihr Schattenbild.

Sie hatten den Auftrag, für das Hamburger Rathaus eine größere Serie von Senatorinnen zu porträtieren, die Sie während der einzelnen Porträtsitzungen auch interviewt haben. Welche Erfahrungen haben Sie dabei gemacht?

Für mich war es überraschend zu sehen, wie sehr sich die Haltung der Senatorinnen zu ihrem Amt im Verlauf der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts verändert hat. Die Senatorinnen der Nachkriegsgenerationen wollten mit ihrer politischen Arbeit der Gesellschaft dienen. Für die Senatorinnen der späteren Generationen bedeutete die Ernennung zur Senatorin manchmal  hauptsächlich einen Karriereschritt in ihrer persönlichen Laufbahn. Künstlerisch war die Arbeit für mich sehr aufregend, da die Zeichnungen ja eine hohe Qualität haben sollten. Jede Senatorin saß viele Stunden in meinem Atelier, wir redeten die ganze Zeit miteinander während ich sie porträtierte. Aus diesen Gesprächen enstand dann das Buch “Hamburgs Senatorinnen – Gespräche beim Zeichnen”.

Wie kommt man von der traditionellen Porträtmalerei zum Schattenbild?

1988 verbrachte ich einige Wintermonate alleine in einem Haus in Südfrankreich. Ich hatte ein Freiluftatelier und musste feststellen, dass meine Farben in den Maltöpfen über Nacht gefroren waren. Damals malte ich mit Eitempera. Ich zeichnete dann am Küchentisch, kaufte farbige Pappen und begann meine Zeichnungen in Form von Collagen umzusetzen. So entstanden meine ersten Silhouettenarbeiten.

Inwiewfern thematisiert Ihr Zyklus “Sa Maitresse”, der dort enstanden ist, Frauenphantasien?

Das ist schwer zu sagen, weil ich nicht weiß, wie im Vergleich dazu Männerphantasien aussehen. Phantasien entstehen oft, wenn man etwas nicht bekommt, wonach man sich sehnt. Man stellt es sich vor, und je nachdem wie phantasiebegabt man ist, schafft man sich dann Ersatz,eine eigene Welt, in der Wünsche erfüllt werden oder zumindest Welten entstehen, in denen man sich gerne aufhält.

In Ihren letzen Arbeiten beschäftigen Sie sich fast ausschließlich mit der menschlichen Silhouette, wie kam es dazu?

Als ich mit meiner Malerei in den Raum ging, d.h. Bildobekte mit verschiedenen voreinander montierten Flächen baute, stellte ich fest, dass meine expressive, in viele Flecken aufgeteilte Malerei auf diesen Flächen nicht funktonierte. Ich musste die Farbigkeiten reduzieren und begann mich intensiv mit Silhouetten zu beschäftigen. Der Mensch in Bewegung, Bewegung als Ausdruck seiner Befindlichkeiten, war immer schon mein Thema.

In der Ausstellung gibt es Arbeiten mit dem Titel “Blaue Madonna” oder “Madonna mit Männerstrauß”. Inwiefern beziehen Sie sich dabei auf das Madonnenbild der Gotik oder der Renaissance?

An diesen Madonnenbildern haben mich immer der liebevolle Ernst, die Schšnheit und Unerreichbarkeit der Madonna und ihr Bezug zum Jesuskind interessiert. Die Madonnenbilder dieser Epochen sind oft sehr erotisch, das Jesuskind erinnert an Amor.Meine blaue Madonna ist eine nächtliche Madonna, in ihren Händen glüht das Leben – in diesem Fall in Form von Männern. Dadurch, dass sie einen Männerstrauß in den Händen hält, bekommt das Bild etwas Verspielt Heiteres. Ihre Brust ist erotisch verführend. Man weiß nicht, was “die Frau” mit den Männern tut, wie diese Männer, die sie in ihren Händen hält, sich fühlen. Thema dieser Arbeit ist auch das Prinzip “Weiblichkeit”, die Mutter, die das ihr anvertraute Leben liebevoll betrachtet und schützt.

Über tausend Jahre war die bildende Kunst fast ausschließlich eine Männerdomäne, in den vergangenen Jahrzehnten hat sich das grundlegend geändert. Gibt es für Sie einen Unterschied zwischen der Kunst von Frauen und Männern?

Prinzipiell ist es mir vollkommen egal, ob eine künstlerische Arbeit, wenn Sie mir gut gefällt, von einem Mann oder einer Frau geschaffen wurde. Früher habe ich es aber als sehr ungerecht empfunden, dass Frauen in der Vergangenheit kaum Chancen hatten in diesem Beruf ausgebildet zu werden und wenn sie dann doch, was ja manchmal vorkam, eine Ausbildung bekamen, ihren Beruf im Falle einer Heirat wieder aufgeben mussten.

Was ist für Sie das Wichtigste, wenn Sie künstlerisch tätig sind?

Für mich bedeutet künstlerisches Schaffen immer wieder ein “Ja” zum Leben. Das ist unabhängig vom Thema. Dabei macht mich der Umgang mit Formen und Farben glücklich. Ich fühle mich “identisch mit mir selbst, am richtigen Platz auf der Welt”, wenn ich male oder meine Figuren ausschneide..